Dank neuer Erkenntnisse über die Details der photosynthetischen Wasserspaltung verbessern sich die Aussichten für die Entwicklung sauberer Kraftstoffe auf der Basis von Wasser und Sonnenlicht

20. August 2014

Die Energieversorgungsprobleme der Gesellschaft könnten in Zukunft nach einem Vorbild aus der Natur gelöst werden. Pflanzen, Algen und einige Bakterienarten produzieren bei der Photosynthese mit Hilfe von Sonnenenergie Zucker und andere energiereiche Stoffe (z.B. Treibstoffe). Ein Team unter Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr entwickelt derzeit experimentelle Methoden, um herauszufinden, wie dieser Prozess in der Natur abläuft. Die Wissenschaftler untersuchen einen besonders wichtigen Cofaktor der Photosynthese, einen Mangan-Calcium-Komplex, der die Sonnenenergie nutzt, um Wasser in molekularen Sauerstoff zu spalten. Sie haben die genaue Struktur dieses Komplexes in einer entscheidenden Phase dieser chemischen Reaktion bestimmt. Dies hat zu einem detaillierten Vorschlag geführt, wie molekularer Sauerstoff, O2, an diesem Metallkomplex gebildet wird. Mit diesen neuen Erkenntnissen über die Photosynthese haben die Wissenschaftler eine Blaupause für synthetische Systeme geliefert, die die Energie des Sonnenlichts in chemischen Energieträgern speichern könnten.

Die Struktur des Manganclusters, wie sie in der Natur vorkommt und vor der Bildung der O-O-Bindung. Im Hintergrund der Zyklus der Wasserspaltung mit den Zwischenzuständen S0 bis S4.

© Diagramm: MPI für chemische Energieumwandlung

Die Struktur des Manganclusters, wie sie in der Natur und vor der Bildung der O-O-Bindung vorkommt. Im Hintergrund der Zyklus der Wasserspaltung mit den Zwischenzuständen S0 bis S4.
© Diagramm: MPI für chemische Energieumwandlung

Seit über drei Milliarden Jahren nutzt die Natur das Sonnenlicht als primäre Energiequelle für die Photosynthese. Dabei nutzen Pflanzen, Algen und Cyanobakterien (Blaualgen) das Sonnenlicht, um Wasser zu spalten und aus Kohlendioxid (CO2) energiereiche chemische Verbindungen herzustellen. Das Endprodukt sind Kohlenhydrate, die in der Natur als solare Brennstoffe in der lebenden Zelle wirken. Obwohl die grundlegenden Reaktionen der Photosynthese seit langem bekannt sind, ist es Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und des Commissariat à l’Énergie Atomique (CEA) in Saclay, Frankreich, nun gelungen, wichtige Details der lichtinduzierten Wasserspaltung zu erklären. Damit haben sie die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erzeugung von umweltfreundlichen und kostengünstigen solaren Brennstoffen durch künstliche Photosynthese mit Sonnenlicht und Wasser verfeinert, eine Entwicklung, die es der Gesellschaft ermöglichen könnte, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Kohle und Erdgas zu beenden.

Ein Katalysator für die Wasserspaltung

Die lichtinduzierte katalytische Wasserspaltung findet an einem Metallkomplex statt, der in ein großes Membranprotein (Photosystem II) eingebettet ist. Dieser Komplex besteht aus vier Manganatomen (Mn) und einem Kalziumatom (Ca), die durch ein Netzwerk von Sauerstoffbrücken zusammengehalten werden (siehe Bild). Dieser wasseroxidierende oder sauerstoffentwickelnde Komplex durchläuft einen komplizierten Zyklus, bei dem Elektronen und Protonen und damit letztlich Wasserstoff und molekularer Sauerstoff freigesetzt werden.

In einem diese Woche in der Zeitschrift Science veröffentlichten Artikel stellt das deutsch-französische Forscherteam die Struktur dieses Mangan-Kalzium-Komplexes unmittelbar vor der Sauerstoffproduktion vor. Dieser Einblick in eine Schlüsselphase der pflanzlichen Photosynthese ist von großer Bedeutung: Er ermöglicht ein detaillierteres Verständnis des Mechanismus der Photosynthese und wird die Entwicklung synthetischer Systeme für die lichtinduzierte Wasserspaltung auf der Grundlage dieses Modells ermöglichen.

Die Studie ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Biophysikalische Chemie und Molekulare Theorie am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion unter der Leitung von Wolfgang Lubitz und Frank Neese. Innerhalb dieser Abteilungen haben Nicholas Cox und Dimitrios Pantazis ein interdisziplinäres Team zusammengestellt, das ein besseres Verständnis der molekularen Details der Wasserspaltung in der Natur anstrebt.

Drei Herausforderungen bei der Erforschung des Photosystems II

Die erste Herausforderung für die Forscher bestand in der Extraktion und Reinigung des Photosystems II mit einem vollständig intakten Wasserspaltungskomplex aus dem ursprünglichen Organismus, einem thermophilen Cyanobakterium, das in heißen Quellen und Vulkanen in Japan vorkommt und sehr robust ist. Um die sehr strengen Anforderungen an die Qualität des Präparats zu erfüllen, mussten die Forscher in Saclay mehrere Jahre Entwicklungsarbeit in Zusammenarbeit mit Forschern aus Japan leisten.

Die zweite Herausforderung, der sich das Forscherteam gegenübersah, betraf die Charakterisierung des Mangankomplexes im Photosystem II während der verschiedenen Phasen der Wasserspaltung. Die Forscher der Abteilung Biophysikalische Chemie des Mülheimer Max-Planck-Instituts überwanden diese Hürde mit Hilfe der elektronenparamagnetischen Resonanz (EPR). Diese Technik ermöglicht es, die Verteilung der Elektronen in einem Molekül oder Metallkomplex sichtbar zu machen und gibt so tiefe Einblicke in die einzelnen Stadien der Wasserspaltung. „Diese Messungen lieferten neue Informationen und ermöglichten die Lösung von Problemen bei der detaillierten Analyse von Molekülstrukturen im Reaktionszyklus, die mit anderen Methoden nicht zugänglich sind“, sagt Dr. Alain Boussac vom CEA Saclay.

Die dritte Herausforderung bestand schließlich darin, die gewonnenen Informationen zu nutzen, um ein vollständiges Strukturmodell des Biokatalysators zu erstellen. Die dafür notwendigen Berechnungen wurden durch neue theoretische Methoden und die Supercomputer der Abteilung Molekulartheorie des Max-Planck-Instituts erleichtert. So konnten die Forscher zeigen, dass sich in der späten Phase des Reaktionszyklus ein zweites Wassermolekül neben einem aktiven Sauerstoffatom des Komplexes bindet und ein Proton abgibt. Dies führt im nächsten Schritt zur Bildung der O-O-Bindung.

Treibstoff aus Sonnenlicht – die Natur kopieren

Dank dieser Entschlüsselung der Struktur und Funktion des wasserspaltenden Katalysators im Photosystem II auf atomarer Ebene ist eine Erklärung des Wasserspaltungsmechanismus in greifbare Nähe gerückt. Dieses Wissen ermöglicht die Identifizierung wichtiger Kriterien für die Entwicklung ähnlicher synthetischer Katalysatoren, die Wasser mit umweltfreundlichen, kostengünstigen und leicht verfügbaren Elementen spalten. Gegenwärtig werden zu diesem Zweck häufig teures Platin und andere seltene Metalle oder Metallkomplexe verwendet. Dies macht die großtechnische Produktion von erneuerbaren Energieträgern (Brennstoffen) wie Wasserstoff sehr teuer oder sogar unmöglich.

Mit Hilfe von bioinspirierten Katalysatoren könnte Wasserstoff oder ein anderer solarer Brennstoff kostengünstig durch die Kombination von Solaranlagen mit wasserspaltenden Katalysatoren zur Erzeugung von solaren Brennstoffen anstelle von Elektrizität hergestellt werden. Damit könnte der Energiesektor die Hauptprobleme der Solarenergie überwinden: Sonnenlicht steht als Energiequelle nicht rund um die Uhr zur Verfügung, und Strom ist für den Betrieb von Kraftfahrzeugen wenig geeignet. Das Solartreibstoffkonzept ermöglicht dagegen die direkte Speicherung von Sonnenenergie in chemischen Verbindungen und damit die Nutzung dieser Energie zu jeder Zeit und an jedem Ort.

„Synthetische Solartreibstoffe eröffnen weitreichende Möglichkeiten für erneuerbare Energietechnologien, insbesondere für den Verkehrs- und Infrastrukturbereich, der noch auf fossile Brennstoffe angewiesen ist“, sagt Professor Wolfgang Lubitz, Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion. „Ein effizienter lichtgetriebener, wasserspaltender Katalysator auf der Basis gewöhnlicher Metalle wie Mangan wäre hier ein großer Fortschritt. Die durch diese Forschung gewonnenen Einblicke in das wasserspaltende Enzym der Natur haben den Grundstein für solche Entwicklungen gelegt.“

ES/PH

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