Kommensale Mikroflora (normale Mikroflora, indigene Mikrobiota) besteht aus jenen Mikroorganismen, die sich auf den von Epithelzellen bedeckten Körperoberflächen befinden und der äußeren Umgebung ausgesetzt sind (Magen-Darm-Trakt, Atemwege, Vagina, Haut usw.). Die Zahl der Bakterien, die Schleimhaut- und Hautoberflächen besiedeln, übersteigt die Zahl der Zellen, aus denen der menschliche Körper besteht. Kommensale Bakterien haben sich gemeinsam mit ihren Wirten entwickelt, sind jedoch unter bestimmten Bedingungen in der Lage, schützende Wirtsreaktionen zu überwinden und pathologische Wirkungen zu entfalten. Die ansässigen Bakterien bilden komplexe Ökosysteme, deren Vielfalt enorm ist. Die reichhaltigste Mikroflora findet sich in den distalen Teilen des Darms; die Mehrheit der Darmbakterien sind gramnegative Anaerobier. Mehr als 50 % der Darmbakterien können mit herkömmlichen mikrobiologischen Verfahren nicht kultiviert werden. Molekularbiologische Methoden helfen bei der Analyse der strukturellen und funktionellen Komplexität der Mikroflora und bei der Identifizierung ihrer Bestandteile. Die ansässige Mikroflora enthält eine Reihe von Komponenten, die die angeborene und adaptive Immunität aktivieren können. Eine unbegrenzte Immunaktivierung als Reaktion auf Signale von kommensalen Bakterien könnte das Risiko einer Entzündung mit sich bringen; Immunreaktionen auf die mukosale Mikrobiota erfordern daher eine präzise regulatorische Kontrolle. Das mukosale Immunsystem hat spezialisierte, entzündungshemmende Regulationsmechanismen entwickelt, um ungefährliche Antigene aus der Nahrung und der Luft sowie kommensale Mikroorganismen zu eliminieren oder zu tolerieren (orale, mukosale Toleranz). Gleichzeitig muss das Schleimhautimmunsystem aber auch lokale Abwehrmechanismen gegen Bedrohungen aus der Umwelt (z. B. eindringende Krankheitserreger) bereitstellen. Diese wichtige Anforderung wird durch mehrere Mechanismen der mukosalen Immunität erfüllt: stark ausgeprägte angeborene Abwehrmechanismen, die eine angemessene Funktion der Schleimhautbarriere gewährleisten, das Vorhandensein einzigartiger Arten von Lymphozyten und ihrer Produkte, der Transport von polymeren Immunglobulinen durch Epithelzellen in Sekrete (sIgA) und die Migration und Homing von Zellen, die aus den mukosal organisierten Geweben stammen, in Schleimhäute und exokrine Drüsen.

Die wichtige Rolle kommensaler Bakterien bei der Entwicklung eines optimal funktionierenden Schleimhaut-Immunsystems wurde an keimfreien Tieren (mit Hilfe gnotobiologischer Techniken) nachgewiesen. Kürzlich wurde eine Beteiligung der kommensalen Mikroflora und ihrer Bestandteile mit stark immunaktivierenden Eigenschaften (z.B. LPS, Peptidoglykane, Superantigene, bakterielle DNA, Hsp) an den ätiopathogenetischen Mechanismen verschiedener komplexer, multifaktorieller und multigenetischer Krankheiten, einschließlich entzündlicher Darmerkrankungen, Parodontose, rheumatischer Arthritis, Atherosklerose, Allergie, Multiorganversagen und Darmkrebs, vorgeschlagen. Tiermodelle menschlicher Krankheiten, die unter definierten gnotobiotischen Bedingungen gezüchtet werden, tragen dazu bei, die Ätiologie dieser häufigen Erkrankungen aufzuklären. Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen kommensalen Bakterien und dem Wirt unter Verwendung von keimfreien Tiermodellen mit selektiven Kolonisierungsstrategien in Verbindung mit modernen molekularen Techniken könnte neue Erkenntnisse über die Mechanismen der Schleimhautimmunität und auch über die pathogenetischen Mechanismen verschiedener infektiöser, entzündlicher, autoimmuner und neoplastischer Erkrankungen liefern. Die Regulierung der Zusammensetzung der Mikroflora (z.B. durch Probiotika und Präbiotika) bietet die Möglichkeit, die Entwicklung der mukosalen und systemischen Immunität zu beeinflussen, kann aber auch bei der Prävention und Behandlung einiger Krankheiten eine Rolle spielen.

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