Diskussion
Die Pathophysiologie des durch Hypothyreose ausgelösten Aszites ist noch nicht vollständig bekannt. Es gibt zwei Haupttheorien: Parving et al. berichten, dass niedrige Spiegel zirkulierender Schilddrüsenhormone zu einer Erhöhung der Kapillarpermeabilität führen, die eine Extravasation von Plasmaproteinen in das extravaskuläre Kompartiment zur Folge hat. Daher zeigt die Analyse der Aszitesflüssigkeit von Patienten mit dieser Erkrankung einen exsudativen Aszites mit hohem Proteingehalt (>2,5 g/dl). Eine zweite Hypothese geht von einem direkten hygroskopischen Effekt aus, der durch die Ansammlung von Hyaluronsäure in der Haut und die daraus resultierenden Ödeme verursacht wird. Hyaluronsäure ist bei Patienten mit Hypothyreose-induziertem Aszites nur in geringen Mengen vorhanden und kann nicht allein für die Ausübung der erforderlichen hygroskopischen Wirkung verantwortlich gemacht werden. Sie kann jedoch mit Albumin interagieren und Hyaluronsäure-Albumin-Komplexe bilden, die den lymphatischen Abfluss von extravasiertem Albumin verhindern. Eine andere Theorie geht von einer verminderten freien Wasserausscheidung aufgrund einer übermäßigen Produktion von antidiuretischem Hormon (ADH) aus. Jüngste Studien haben gezeigt, dass niedrige Stickoxidspiegel und hohe Spiegel des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) zu einer erhöhten Kapillardurchlässigkeit führen können, die eine Extravasation von Plasmaproteinen verursacht. Ein Rückgang des Stickstoffmonoxidgehalts führt zu einer Dysfunktion des Endothels aufgrund von oxidativem Stress, was eine Aktivierung von Entzündungszellen zur Folge hat, die Substanzen freisetzen, die die Kapillardurchlässigkeit erhöhen. Ein Anstieg von VEGF führt aufgrund der abnormen Kapillardurchlässigkeit ebenfalls zu einer erhöhten Extravasation von Plasmaproteinen. Es wurde berichtet, dass der VEGF-Spiegel bei Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion hoch ist und mit einer Schilddrüsenersatztherapie auf normale Werte sinkt.
Die Analyse der Aszitesflüssigkeit ist der Schlüssel für den Ablauf der zur Diagnosestellung erforderlichen Untersuchungen. Ein auffälliges Merkmal der Aszitesflüssigkeit bei Hypothyreose ist ihr erhöhter Proteingehalt, aber der SAAG-Wert variiert und kann niedrig oder hoch sein. Ein hoher Serum-Aszites-Albumin-Gradient (SAAG; >1,1 g/dl) deutet darauf hin, dass die Aszitesflüssigkeit durch portale Hypertension verursacht wird, wobei die diagnostische Genauigkeit bei 97 % liegt. Ein niedriger SAAG (<1,1 g/dl) deutet darauf hin, dass die Aszitesflüssigkeit nicht auf portale Hypertension zurückzuführen ist. Die häufigsten Ursachen von Aszites sind in Tabelle Tabelle11 aufgeführt.
Tabelle 1
Tabelle Tabelle1:1: URSACHEN VON ASZITEN | |
Hohes SAAG (≥ 1,1 g/dl) | Niedriges SAAG (< 1.1 g/dl) |
Zirrhose | Peritoneale Malignome |
Kongestive Herzinsuffizienz | Tuberkulöse Peritonitis |
Alkoholische Hepatitis | Pyogene Peritonitis |
Konstriktive Perikarditis | Bauchspeicheldrüsenaszites |
Hepatische Metastasen | Nephrotisches Syndrom |
Budd-Chiari-Malformation | Serositis bei Bindegewebserkrankungen |
Unsere Patientin wies weder klinische Merkmale noch transthorakale Echokardiogramme (TTE) auf, die auf eine kongestive Herzinsuffizienz (CHF) oder eine konstriktive Perikarditis hinweisen. Sie wies keine Anamnese oder klinischen Befunde auf, die auf eine Tuberkulose, Pankreatitis, ein nephrotisches Syndrom oder eine Budd-Chiari-Malformation hindeuten. Die Kulturen der Aszitesflüssigkeit waren negativ für bakterielle oder tuberkulöse Infektionen und zeigten auch eine negative Zytologie. Die abdominale Ultraschalluntersuchung zeigte ein normales Leberparenchym, und die CT-Untersuchung ergab keine abdominalen Massen. In Ermangelung anderer Ursachen für den Aszites und in Anbetracht der langen Dauer einer unzureichend behandelten Hypothyreose wurde Myxödem-Aszites als Ursache für den Aszites des Patienten festgestellt.
Myxödem-Aszites wurde erstmals 1883 von Kocher beschrieben, und der erste Fallbericht über Aszites in Verbindung mit Hypothyreose wurde 1950 von Paddock verfasst. Seitdem wurden zahlreiche Fallberichte veröffentlicht. Zu den gemeinsamen Merkmalen dieser Erkrankung gehören das Vorherrschen von Frauen, ein hoher Proteingehalt der Aszitesflüssigkeit (>2,5 g/dl), ein hoher Cholesterinspiegel, eine langjährige Hypothyreose in der Anamnese und, was am wichtigsten ist, eine Auflösung des Aszites durch eine Schilddrüsenersatztherapie. Eine Durchsicht der medizinischen Literatur ergab, dass bisher 51 Fälle von Myxödem-Aszites gemeldet wurden. Die Analyse der Aszitesflüssigkeit bei Patienten mit Myxödem-Aszites zeigt durchweg erhöhte Aszites-Proteinwerte (>2,5 g/dl) mit einem Mittelwert von 3,9 g/dl und niedriges bis erhöhtes SAAG mit einem Mittelwert von 1,5 g/dl und einem Bereich von 0,8-2,3 g/dl. Die Anzahl der Leukozyten in der Aszitesflüssigkeit kann niedrig oder hoch sein und besteht überwiegend aus Lymphozyten. Die Merkmale der Analyse der Aszitesflüssigkeit aus dieser Literaturübersicht sowie die Merkmale der Aszitesflüssigkeit unseres Patienten sind in der Tabelle Tabelle22 dargestellt.
Tabelle 2
Merkmale der Aszitesflüssigkeitsanalyse aus der Literaturübersicht von LITERATUR VON 51 FÄLLEN MIT MYXEDEMA-AZITEN UND UNSERER PATIENTENDATEN | ||||
Anzahl der Patienten | Mittelwert | Bereiche | Patientendaten | |
Azitisches Protein (g/dl) | 49 | 3.9 | 1,8-5,1 | 3,9 |
SAAG (g/dl) | 11 | 1,5 | 0,8-2,3 | 1.0 |
Anzahl der weißen Blutkörperchen (pro µL) | 48 | 60 | 10-400 | 497 |
Bestimmte biochemische Anomalien können auf die Diagnose einer Hypothyreose hinweisen. Dazu gehören makrozytäre Anämie und hohe Kreatinkinase- und Cholesterinwerte. Bei Patienten mit Autoimmunhypothyreose kann gleichzeitig ein Vitamin-B12-Mangel vorliegen, der durch eine perniziöse Anämie verursacht wird. Eine Hypothyreose kann auch zu einer verminderten Aktivität des Knochenmarks und einer verminderten Erythropoetinsekretion führen, was wiederum eine Anämie zur Folge hat. Die Pathogenese der Schilddrüsenmyopathie ist noch nicht ausreichend geklärt. Eine isolierte CK-Erhöhung im Serum ist die häufigste Abnormität. Andere klinische Manifestationen der Schilddrüsenmyopathie sind diffuse Myalgien, diffuse Muskelhypertrophie in Verbindung mit Schwäche und schmerzhaften Muskelkrämpfen (Hoffman-Syndrom), langsam fortschreitende symmetrische proximale Muskelschwäche und Rhabdomyolyse. Der primäre Mechanismus für die Hypercholesterinämie bei Hypothyreose ist die Akkumulation von LDL-Cholesterin aufgrund einer Beeinträchtigung der Lipid-Clearance, die durch eine Verringerung der Zahl der Zelloberflächenrezeptoren für LDL verursacht wird, was zu einem verminderten LDL-Katabolismus führt. Eine Abnahme der LDL-Rezeptoraktivität wurde ebenfalls als ein Faktor beschrieben, der dazu beiträgt. Eine verringerte Lipoproteinlipase-Aktivität ist für die Hypertriglyceridämie bei Hypothyreose verantwortlich.
Die anfänglichen Labortests unserer Patientin zeigten eine makrozytäre Anämie mit normalen B12- und Folsäurespiegeln, erhöhten CK- und AST-Werten im Serum und Anomalien im Lipidpanel. Ärzte sollten sich dieser geringfügigen biochemischen Anomalien bewusst sein und bei Vorliegen dieser Anomalien eine Hypothyreose als Differenzialdiagnose in Betracht ziehen. Es wurde berichtet, dass sich diese biochemischen Anomalien nach Beginn einer Schilddrüsenersatztherapie normalisieren.